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Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät

Professur für Theaterwissenschaft – Professor Dr. Wolf-Dieter Ernst

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Exkursion zum Theater- und Performancefestival SpielArt 2011

Bild: Exkursion 2011

Auch in diesem Jahr führte die Theaterwissenschaft Bayreuth wieder eine aus Studienbeiträgen finanzierte  Exkursion durch. Diesmal stand das Theater- und Performancefestival SpielArt 2011 auf dem Programm. Das international renommierte Festival zeigte zeitgenössisches Theater auf höchstem Niveau und bot in Künstlergesprächen, Symposien und Ausstellungen zahlreiche Einblicke und neue Perspektiven. Die Studenten fertigten eigene Rezensionen an und diskutieren intensiv das Für und Wider der neuen Theaterformen. Anlass dazu lieferte das Programm reichlich.

Die gefeierte und zugleich umstrittene Produktion von Romeo Castelluci I Societas Raffaello Sanzio On the Concept of the Face, Regarding the Son of God etwa setzte sich mit dem in unsere Zeit virulenten Thema der Bilderzerstörung auseinander und provozierte die Grenzen religiöser Empfindungen. Auf der Bühne verfolgte man über lange Zeit die alltäglichen Handlungen eines offensichtlich inkontinenten Vaters, der von seinem Sohn liebevoll umsorgt wird.

Bild: Exkursion 2011

Immer wieder jedoch nässte und kotete sich der Greis ein, beschmutzte das italienische Wohnambiente. Das übersteigerte die Geduld des Sohnes und er flehte Jesus um Hilfe an, dargestellt durch ein überproportional großes Portrait. Jesus aber – wie das Bild auch - blieben stumm, und stumm ertrug es das Bild Jesus hernach auch, von einer Horde Jugendlicher besudelt und zerstört zu werden. Welche Antwort hat Religion und Spiritualität in dieser Lebenslage, der banalen Tatsache des Alterns und des Todes? Diese Performance in den Münchener Kammerspielen rief nicht nur dogmatische  Christen auf den Plan, welche die Absetzung des Spektakels forderten. In einer bewegenden Diskussion wurden neben aller Moralität, die zu bestimmen sucht, was Theater darf oder nicht darf, der Kern der Problematik sichtbar: Einen auf Tradition basierenden Umgang mit Lebenskrisen ist nicht mehr zu haben. Theater kann temporär diesen Mangel zeigen.
Weitere Höhepunkte des Programms waren die Oper Die Liebe zu den drei Orangen am Gärtnerplatztheater, Das weite Landund Der Geldkomplex am Residenztheater, Bruno Vanden Broeckes gewaltiger Solo-Abend Missions, das kolumbianische Mapa Teatro mit Los Santos Inocentes und das kuratierte Nachwuchsforum von SpielArt mit der skurrilen Show Les Géomètres, entwickelt von zwei Comiczeichnern. Über diese Arbeit schreibt die Studierende Tabea Schattmeier treffend, sie erschaffe gleichsam plastisch eine Geschichte vor unseren Augen.

Foto: Sarah Kane

„Die Geschichte wird von vier Wesen begleitet. Es sind keine menschlichen, sondern seltsame, fremde Geschöpfe. Die Körpersprache der witzigen Wesen ist es, die uns eine Botschaft übermittelt. Die Botschaft ist: Neugierig sein. Neugierig sein auf das Erschaffen. Wir sind die Zuschauer bei diesem Spiel, bei der naiven Neugier, beim Ausprobieren, beim Erschaffen einer neuen Welt.“
 
Ganz anders wurde der Zuschauer in Nicole Beutlers Stück I:Songs angesprochen. Beutler wählte Monologe starker Frauenfiguren wie Medea, Ophelia und Antigone, die sie durch Sanja Mitrovic als einen musikalischen Nummernabend präsentieren ließ Eugen Geisler fasst zusammen:
 
„Die Texte werden nicht nur umgestellt, sondern in einen vollkommen neuen Rahmen gesetzt. So bekommt man das Gretchen aus Faust auf einem Trip-Hop Beat vorgetragen, Antigones Text mündet in ein exzessives Hundegebell und der Teil aus Sarah Kanes 4.48 Psychose wird mit folgenden Widerspruch eingeleitet: „I need your full attention to watch me vanish.“

Die Arbeit regte zu Diskussionen an, denn Mitrovic blieb als Performerin fremd und sperrig. Ihre Spielweise irritierte, wie Sophia Schmidt schreibt: „Mal tanzt sie unbeholfen roboterhaft, mal ruckhaft-sexuell. Mal ist sie die schwache Frau, die die Wörter nur haucht und kurz darauf packt sie die Mikrofonständer und zertrümmert sie auf der Bühne – wieder ganz wie bei einem Rockkonzert. Kostüm und Bühnenbild lösen sich parallel zu dieser Emotionswandlung auf, das graue Kleid wird aufgeknöpft und die unscharfe Bildprojektion bekommt klare Umrisse – am Ende sieht man sowohl auf der Bühne als auch auf dem Bild eine Frau, die rennt, mit erhobener Hand, um auf sich aufmerksam zu machen.“ 

Trotz dieser verstörenden Spielweise waren die Songs, komponiert von Gary Shepherd, sowie die Texte und die Stimme Mitrovic’ sehr eindringlich. Es wurde klar: Beutler wollte nicht in die Falle der Identifikation tappen, sondern Fragen aufwerfen. Wiederum Eugen Geisler: „Wie ist der Song bestehend aus Medeas Monolog zu verstehen, in dem sie sich endgültig für den Tod ihrer Kinder entscheidet, wenn er als Chanson dargeboten wird?“ 

Der Besuch des Symposions Social Fictions. Die Kunst des Protests in der Theaterakademie München rundete das Programm ab.

Die Arbeit regte zu Diskussionen an, denn Mitrovic blieb als Performerin fremd und sperrig. Ihre Spielweise irritierte, wie Sophia Schmidt schreibt: „Mal tanzt sie unbeholfen roboterhaft, mal ruckhaft-sexuell. Mal ist sie die schwache Frau, die die Wörter nur haucht und kurz darauf packt sie die Mikrofonständer und zertrümmert sie auf der Bühne – wieder ganz wie bei einem Rockkonzert. Kostüm und Bühnenbild lösen sich parallel zu dieser Emotionswandlung auf, das graue Kleid wird aufgeknöpft und die unscharfe Bildprojektion bekommt klare Umrisse – am Ende sieht man sowohl auf der Bühne als auch auf dem Bild eine Frau, die rennt, mit erhobener Hand, um auf sich aufmerksam zu machen.“
Trotz dieser verstörenden Spielweise waren die Songs, komponiert von Gary Shepherd, sowie die Texte und die Stimme Mitrovic’ sehr eindringlich. Es wurde klar: Beutler wollte nicht in die Falle der Identifikation tappen, sondern Fragen aufwerfen. Wiederum Eugen Geisler: „Wie ist der Song bestehend aus Medeas Monolog zu verstehen, in dem sie sich endgültig für den Tod ihrer Kinder entscheidet, wenn er als Chanson dargeboten wird?“

Der Besuch des Symposions Social Fictions. Die Kunst des Protests in der Theaterakademie München rundete das Programm ab.


Verantwortlich für die Redaktion: Univ.Prof.Dr. Wolf-Dieter Ernst

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